Wer sich mit dem Kauf oder Verkauf einer Immobilie beschäftigt, wird früher oder später über die Frage stolpern, ob im Rahmen des erforderlichen notariellen Vertrages ein so genanntes Notaranderkonto zur Anwendung kommen soll. Die Idee hinter einem solchen Anderkonto besteht darin, dass der Notar bestimmte Geldbeträge zweckgebunden verwahren und nach den Anweisungen des Hinterlegers auszahlen kann. Hauptanwendungsfall für solche Anderkonten sind besagte Immobilienkaufverträge. Hier war es über Jahrzehnte üblich, dass der Käufer den Kaufpreis zunächst auf einem Anderkonto hinterlegte und der Notar den Betrag erst dann an den Verkäufer weiterleitete, wenn der Eigentumsübergang zugunsten des Käufers sichergestellt war. Der Käufer sollte auf diesem Wege davor geschützt werden, den Kaufpreis zu zahlen und später kein Eigentum zu erlangen.
Besonderes berechtigtes Sicherungsinteresse erforderlich
Seit einer Gesetzesänderung im Jahre 1998 ist es jedoch nicht mehr zulässig, bei Immobilienkaufverträgen standardmäßig Anderkonten einzusetzen. Der Gesetzgeber verlangt jetzt vielmehr, dass für die Einrichtung eines Notaranderkontos ein besonderes Sicherungsinteresse vorliegt. Wie dieses Sicherungsinteresse im Einzelnen auszusehen hat, ist vom Gesetzgeber nicht geregelt worden. Es handelt sich insoweit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im Einzelfall zu prüfen und im Zweifel von der Rechtsprechung zu entscheiden ist. In den vergangenen Jahren hat sich eine Reihe von typischen Konstellationen herauskristallisiert, bei denen ein berechtigtes Sicherungsinteresse vorliegen kann.
-Das Kaufobjekt soll frühzeitig, nämlich bevor die vertraglichen Fälligkeitsvoraussetzungen vorliegen, an den Käufer übergeben werden.
-Der Käufer möchte den Kaufpreis mithilfe verschiedener Kreditgeber finanzieren und die Kreditgeber verlangen die Hinterlegung auf einem Anderkonto ausdrücklich.
-Es ist ein Zwangsversteigerungsverfahren bezüglich des Kaufobjekts anhängig.
-Ausländische Personen sind an dem Kaufvertrag beteiligt, insbesondere ausländische juristische Personen, bei denen die Vertretungsverhältnisse nicht klar sind.
-Auf dem Kaufobjekt lasten noch zu löschende Grundpfandrechte Dritte, bei denen die Verbindlichkeiten der Verkäufer höher sind als der Kaufpreis.
-Ein Testamentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter tritt als Verkäufer der Immobilie auf.
Regelfall: Direktzahlungsmodell
Liegt nicht ausnahmsweise eine besonderes Sicherungsinteresse des Käufers für die Hinterlegung vor, dann muss der Immobilienkauf nach dem so genannten Direktzahlungsmodell abgewickelt werden. Dabei wird zugunsten des Käufers zunächst eine Auflassungsvormerkung eingetragen, um seinen Anspruch auf Eigentumsverschaffung zu sichern. Sobald die Fälligkeitsvoraussetzungen eingetreten sind, wird der Kaufpreis unmittelbar vom Käufer an den Verkäufer oder dessen Gläubiger ausgezahlt. Danach kommt es zur Besitzübergabe, später zur Eigentumsumschreibung.
Anderkonto: kein Wahlrecht der Parteien
Es steht somit nicht zur Disposition der Parteien, ob sie bei ihrem Kaufvertrag ein Anderkonto einsetzen wollen oder nicht. Der Regelfall ist vielmehr das vorbeschriebene Direktzahlungsmodell, Anderkonten kommen nur noch in Ausnahmefällen zum Einsatz.
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