Das Immobilienvermögen der Deutschen ist in den vergangenen Jahren weiter stark gewachsen. Früher oder später stellt sich deshalb bei den meisten Eigentümern die Frage, ob eine vorzeitige Übergabe von Grundbesitz an Familienangehörige sinnvoll sein kann. Wir wollen in diesem Artikel die einzelnen Konstellationen näher beleuchten.
Grundstück: Was versteht man unter Überlassung oder Übertragung?
Unter einer Überlassung oder Übertragung (auch Übergabe) eines Grundstücks oder einer anderen Immobilie (Wohnung, Gewerbeobjekt) versteht man rechtlich eine Schenkung, die aber häufig an Gegenleistungen gebunden ist. Gerade Eltern behalten sich bei Überlassungen an ihre Kinder in der Regel Nutzungsrechte wie Wohnungsrecht oder Nießbrauch vor. Auch werden fast immer Rückforderungsrechte für bestimmte Situationen vereinbart (z.B. Insolvenz der Kinder). Behält sich der Schenkende solche Gegenleistungen vor, dann handelt es sich rechtlich um eine gemischte Schenkung. Da es sich nicht um einen Verkaufsvorgang handelt, fällt in der Regel keine Grunderwerbsteuer an. Dafür unterliegen Schenkungen aber der Erbschafts-/Schenkungssteuer.
Grundstück: Überlassung an Kinder
Der häufigste Anwendungsfall von Immobilienüberlassungen betrifft die Übertragung von Eltern auf die Kinder. Auch hier können die Motive jedoch vielschichtig sein.
Häufig sollen durch solche lebzeitigen Zuwendungen Steuervorteile ausgeschöpft werden. Ein Kind hat nach jedem Elternteil einen Steuerfreibetrag in Höhe von EUR 400.000 für Schenkungen und Erbschaften. Dieser Freibetrag erneuert sich alle 10 Jahre, so dass es bei größeren Vermögen sinnvoll sein kann, schon zu Lebzeiten Vermögenswerte auf die Kinder umzuschichten. Die Übertragung von Grundvermögen bietet sich dabei an. In dieser Konstellation spricht man auch von “vorweggenommener Erbfolge”.
Ein weiterer Beweggrund für die Übertragung auf die Kinder besteht darin, dass die Eltern nicht mehr Willens oder in der Lage sind, sich um die Unterhaltung des Grundbesitzes zu kümmern. Die Kinder werden dann Eigentümer mit allen damit verbundenen Verpflichtungen, während die Eltern in der Immobilie verbleiben können.
Schließlich kommt es nicht selten vor, dass die Eltern den Kindern ein Grundstück zur Verfügung stellen wollen, damit diese dort ein Eigenheim errichten können. Ohne vorherige Übertragung wird eine solche Bebauung kaum realisierbar sein, da Bauwerke immer automatisch zum darauf errichteten Grundstück gehören. Die Banken werden solche Vorhaben daher nicht finanzieren, wenn die Eigentumsverhältnisse nicht eindeutig geklärt sind.
Immobilie: Überlassung an Ehegatten
Auch bei Überlassungen von Immobilien an Ehegatten geht es fast immer um die Ausschöpfung von Steuervorteilen. Ehegatten haben für Schenkungen und Erbschaften nach dem anderen Ehegatten jeweils einen Freibetrag von EUR 500.000. Auch dieser Freibetrag kann alle 10 Jahre genutzt werden. Die lebzeitige Übertragung von Immobilienvermögen kann daher bei größeren Vermögen sinnvoll sein, um die Steuerfreibeträge mehrfach auszuschöpfen. Die gleichmäßige Verteilung des Vermögens zwischen den Ehegatten führt zudem auch mittelbar zu Vorteilen, wenn das Vermögen später auf Kinder übergehen soll. Denn diese haben wie bereits oben ausgeführt, einen Freibetrag von EUR 400.000 nach jedem Elternteil.
Rechtlich handelt es sich bei Überlassungen an Ehegatten in der Regel um so genannte ehebedingte Zuwendungen. In dem Überlassungsvertrag sollte daher geregelt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen (z.B. Scheidung) der Überlasser sich die Rückforderung gegenüber dem Ehegatten vorbehalten will.
Ein weiterer Grund für die Übertragung von Grundbesitz besteht darin, dass die Immobilie vor dem Zugriff von Dritten, insbesondere Gläubigern des Eigentümers, geschützt werden soll. Gerade Selbständige, die in wirtschaftlich schwieriges Fahrwasser geraten, glauben auf diesem Wege ihre Immobile retten zu können. Dabei wird jedoch häufig übersehen, dass solche Übertragungen im Nachhinein anfechtbar sind. Sowohl das Anfechtungsgesetz, als auch die Insolvenzordnung sehen Schenkungsanfechtungen vor. Betroffen sind dabei Vorgänge, die bis zu vier Jahre zurückliegen können.
Ein Notar wird die Beurkundung in solchen Konstellationen zudem ablehnen müssen, wenn er positive Kenntnis davon erlangt, dass eine Gläubigerbenachteiligung beabsichtigt ist.
Grundbesitz: Überlassung an Dritte
Neben den typischen Fällen der Überlassung an Ehegatten und Kinder kommt natürlich auch die Überlassung Dritte in Betracht. In der Praxis sind diese Fälle jedoch eher selten, da sich hier fast immer eine Steuerproblematik ergibt. Mit Ausnahme der Enkel (EUR 200.000) haben sonstige Dritte nur einen Freibetrag für Schenkungen von EUR 20.000. Dies reicht bei den heutigen Immobilienpreisen selten aus, so dass die Zuwendungen in den steuerrelevanten Bereich fallen. Im Vorfeld solcher Überlassungen sollte deshalb immer genauestens geprüft werden, ob und in welcher Höhe Schenkungssteuer zu erwarten ist. Dazu muss zunächst möglichst genau der Verkehrswert der betroffenen Immobilie ermittelt werden, im Zweifel mit Hilfe eines Sachverständigen. Vereinbarte Gegenleistungen (z.B. Wohnungsrecht, Nießbrauch) sind ebenfalls zu bewerten, da diese vom Verkehrswert abgezogen werden können. In jedem Fall sollte eine Steuerberater konsultiert werden, in Zweifelsfällen kann auch eine Voranfrage beim zuständigen Finanzamt gestellt werden.