Jede geschäfts- und testierfähige Person hat die Möglichkeit, mittels eines Testaments weitgehend frei zu bestimmen, was mit seinem Nachlass geschehen soll. Hat ein Erblasser keine letztwillige Verfügung von Todes wegen aufgesetzt, dann greift die gesetzliche Erbfolge. Dies ist jedoch von den Erblassern nicht immer gewollt. Mit einem Testament oder Erbvertrag können sie insoweit “unliebsame” Erben ausschließen bzw. auf den Pflichtteil setzen. In der Praxis müssen sich die Gerichte immer wieder mit der Frage auseinandersetzen, ob der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung überhaupt noch testierfähig war. Ist dies nämlich nicht der Fall, dann hat dies zur Folge, dass entweder die gesetzliche Erbfolge, oder eine zuvor geschlossene letztwillige Verfügung eingreift. Das OLG Karlsruhe hat jetzt in einem Fall entschieden, dass das Nachlassgericht der Frage der Testierfähigkeit mit äußerster Sorgfalt nachgehen muss und sich nicht einfach auf ein Sachverständigengutachten verlassen darf.
Kinder bestreiten Testierfähigkeit des Vaters
In dem betreffenden Fall hatte ein türkischer Staatsbürger ein notarielles Testament errichtet und darin seine Ehefrau zur Alleinerbin eingesetzt. Nach dem Versterben des Vaters beantragten die Kinder einen gemeinsamen Erbschein und trugen im Erbscheinsverfahren vor, der Vater sei zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr testierfähig gewesen. Das Testament sei daher unwirksam, die gesetzliche Erbfolge müsse eingreifen. Das Nachlassgericht beauftragte einen Sachverständigen mit der Feststellung der Testierfähigkeit, dieser kam zum dem Ergebnis, dass diese zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr vorgelegen habe. Das Nachlassgericht erteilte daraufhin den Erbschein zugunsten der Kinder, wogegen die als Alleinerbin eingesetzte Mutter Beschwerde beim Oberlandesgericht einlegte.
OLG: Gericht darf sich nicht allein auf das Gutachten stützen
Das Oberlandesgericht Karlsruhe gab der Beschwerde der Ehefrau Recht und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Nachlassgericht zurück. Nach Ansicht der Richter durfte sich das Nachlassgericht nicht allein auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens beschränken. Erforderlich wäre vielmehr gewesen, die Frage der Testierfähigkeit durch die Vernehmung geeigneter Zeugen weiter aufzuklären. In Betracht wären dabei vor allem die Kinder und sonstigen Angehörigen, aber auch Geschäftspartner des Erblassers und der amtierende Notar gekommen. Dass das Nachlassgericht diese weitere Beweisaufnahme nicht durchgeführt habe, wertete das OLG als wesentlichen Mangel. Zwar stehe es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Nachlassgerichts, wie es die Frage der Testierfähigkeit im Einzelfall aufklären wolle, vorliegend habe das Gericht ohne die Anhörung jeglicher Zeugen aber seine Aufklärungspflicht verletzt (OLG Karlsruhe, 21.04.2015, 11 Wx 82/14)
Die Entscheidung macht deutlich, dass es sich die Nachlassgerichte im Rahmen der Beweiserhebung und Beweiswürdigung nicht so einfach machen können. Gerichte tendieren gerne dahin, Zeugen als ungeeignet einzustufen und schnell zum Sachverständigenbeweis zu greifen. Dies ist jedoch nicht immer zulässig, sofern andere geeignete Beweise dabei übergangen werden.
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