Patientenverfügung: was ändert sich nach der Entscheidung des BGH?

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Der Gesetzgeber gibt uns mit § 1901a BGB die Möglichkeit an die Hand, unseren Willen im Hinblick auf ärztliche Intensivmaßnahmen selbst rechtsbindend zu formulieren. Die Vorschrift ist damit Ausdruck des verfassungsrechtlich geschützten Rechts auf Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Wer schriftlich festlegt, dass bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe erlaubt oder untersagt sein sollen, formuliert damit eine sogenannte Patientenverfügung.

Im Rahmen der immer bedeutsamer werdenden rechtlichen Altersvorsorge haben in den vergangenen Jahren Millionen von Bürgern von diesem Gestaltungsinstrument Gebrauch gemacht. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes sorgt jetzt jedoch für große Unsicherheit, viele der Verfügungen könnten inhaltlich unbestimmt und damit de facto unwirksam sein.

Was hat der BGH entschieden?

Der Bundesgerichtshof hatte in einem Fall darüber zu entscheiden, ob eine Patientin ihren Willen in einer Patientenverfügung hinreichend zum Ausdruck gebracht hatte. Die betroffene Patientin hatte eine entsprechende Verfügung aufgesetzt, dort formulierte sie, dass  unter anderem dann, wenn aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, “lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben” sollten. Gleichzeitig hatte die Patientin einer ihrer Töchter eine Vorsorgevollmacht eingeräumt, die auch zur Vertretung in allen Fragen der medizinischen Behandlung und Versorgung berechtigte.

Nachdem die Patientin einen Gehirnschlag erlitten hatte, musste sie stationär behandelt und dauerhaft über eine Magensonde ernährt werden. Zwei weitere Töchter der Patientin vertraten aufgrund der vorliegenden Patientenverfügung die Ansicht, dass die künstliche Ernährung der Mutter abgebrochen werden müsste. Dem stimmte die bevollmächtige Tochter indes nicht zu, auch die behandelnden Ärzte vertraten die Auffassung, dass die lebensverlängernden Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt nicht beendet werden sollten. Die anderen Töchter beantragten daraufhin eine sogenannte Kontrollbetreuung, die es ihnen ermöglicht hätte, die erteilte Vorsorgevollmacht zu widerrufen. Damit hatten sie vor dem Landgericht zunächst Erfolg, der BGH hob diese Entscheidung jedoch auf.

Nach Ansicht der Bundesrichter entfalte eine Patientenverfügung nur dann Bindungswirkung, wenn der Betroffene darin seinen Willen eindeutig zum Ausdruck bringe. Dies setze aber voraus, dass konkret festgelegt werde, was der Betroffene in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation wolle und was nicht. Allgemein gehalten Anweisungen, wie die Ermöglichung eines würdevollen Sterbens, würden dafür regelmäßig nicht ausreichen. Auch in dem konkreten Fall sei nicht feststellbar gewesen, welche konkreten Behandlungsmaßnahmen die Patientin gewollt habe und welche nicht. Die Formulierung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ sei jedenfalls zu unbestimmt.

Worauf ist bei der Gestaltung der Patientenverfügung zukünftig zu achten?

Die Formulierung einer rechtssicheren Patientenverfügung wird in Zukunft noch schwieriger. Auch wenn es sich bei dem betreffenden Beschluss des BGH natürlich um eine Einzelfallentscheidung handelt, hat diese erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltungspraxis. Es dürfte nunmehr wohl nicht mehr ausreichen, die Patientenverfügungen schlank und übersichtlich zu halten und einfach Standardformulare zu verwenden. Die Betroffenen und auch die beratenden Juristen (Rechtsanwälte und Notare) werden sich im Einzelfall sehr viel intensiver mit den konkreten Wünschen auseinandersetzen und diese expilzit und ausführlich formulieren müssen. Dies gilt vor allem für die verschiedenen Behandlungsalternativen.

Auf der anderen Seite kann es aber auch problematisch sein, wenn man zu viele konkrete Behandlungsmöglichkeiten aufzählt. Vergisst man dabei nämlich eine infrage kommende Behandlungsalternative, dann könnte der Wille unterstellt werden, man habe diese bewusst nicht mitaufgenommen. Gerade von juristischen und medizinischen Laien wird unmöglich verlangt werden können, alle in Betracht kommenden medizinischen Behandlungswege zu erfassen. Es kann aber auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein, dass jeder seine Patientenverfügung erst nach juristischer und fachärztlicher Beratung formulieren kann. Im Ergebnis hat die Entscheidung des Bundesgerichtshofes somit nicht zur Rechtssicherheit beigetragen. Es bleibt abzuwarten, ob die Beratungspraxis einen vertretbaren Mittelweg finden wird.

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